Amüsant, wie im linken Hühnerstall die letzten Hennen und Hähne aufgeregt losgackern, weil ihnen sonst niemand mehr in diesem Lande zuhört. Blieben sie zuerst vor schreck stumm, als Martin Mosebach der diesjährige Büchner-Preis verliehen wurde und waren sie nur durch ein kläglich-totalitäres Krächzen der Gedankenpolitesse Sigrid Löffler zu vernehmen, inszenieren sie nun den finalen Keulenschwung. Sie verfrachten einen der größten deutschen Schriftsteller, da nix anders hilft, in die Nazi-Ecke.
Mosebach hatte es gewagt, auf anthropologische Grundwahrheiten betreffend das Totalitäre im Menschen hinzuweisen. Er hat es so intelligent getan, daß selbst geübte Wortverdreher die Rede nicht kapierten und keinen Halbsatz fanden, den sie Herrn Kerner zwecks massenmedial allgültiger Weiterinterpretation hätten zufaxen können. Nur langsam kommt die Diffamierungsmaschine in Schwung - mit dabei (neben "Berliner Zeitung", "taz", Schröders Haushistoriker Winkler und anderen Aufpassern) die linksliberale Fraktion der WELT-Gruppe, kumuliert in "WELT online". Dort verbreitet sich ein gewisser, bis dato eher irrelevanter Clemens Heni, der bisher mit dem Verfassen antifaschistischer Facharbeiten befasst war. In seinem Werk über Henning Eichenberg etwa schreibt er:
"Einerseits sind Deutsche wieder zunehmend darauf stolz welche zu sein; andererseits und komplementär dazu erscheinen sie nun häufig als Opfer der Geschichte, als Opfer der Nazis – so als ob der Nationalsozialismus nichts genuin Deutsches gewesen wäre -, der Alliierten oder der Umerziehung. Gegenwärtig tauchen sie oft als Opfer wahlweise des amerikanischen Unilateralismus, der Moderne und ihrer Zumutungen oder der Globalisierung, "Heuschrecken" auf. Die neue Rechte und der Rechtsextremismus insgesamt stehen dazu in direkter Beziehung. Schlagworte wie Nationale Identität oder Liebe zu den Völkern versuchen auf regressive Weise Modernisierungsschüben und desintegrativen Effekten der Globalisierung zu begegnen. Schließlich ist ein unbekümmerter Kulturrelativismus (…) dabei, die politische Kultur der Bundesrepublik wie auch Europas zu bestimmen."
Nun ja. Ist ja gut.
Apart jedoch wird Henis heutige Interpretationskunst in der causa Mosenbach:
"Der Hass auf die Französische Revolution, auf Gleichheit, Universalismus und Brüderlichkeit, war elementar für den Aufstieg und die Etablierung des Nationalsozialismus. Heute nun wird revisionistisch gesagt, 1789 und die Jahre 1933 bis 1945 seien verwandt. Mosebach derealisiert die präzedenzlosen Verbrechen des Holocaust, indem er sie mit völlig anderen, unendlich kleineren Gewalttaten in Analogie setzt. Er macht das gezielt, so wie die Neue Rechte die Abwehr von 1789 braucht, um wieder emphatisch von Deutschland reden zu können."
Traumhaft - Uwe Carsten Heye könnte es im Antifa-Kurs an einer Neuköllner Gesamtschule nicht besser bringen!
Henis Trick ist eben exakt der, den er Mosebach unterstellt: Ab heute ist jeder, der die Massenmorde der Französischen Revolution kritisch sieht, ein "Nazi". Weil eben der Massenmord der Nationalsozialisten "präzedenzlos" geblieben sein muss - als ob eine Präzedenz ihn relativieren, vergrößern oder verkleinern würde. Ist irgendeiner der Morde an Juden, Andersdenkenden, Christen oder überrannten Völkern durch die Nationalsozialisten dadurch weniger verbrecherisch und verurteilenswert, weil es massenhafte Morde an Juden, Andersdenkenden, Christen oder überrannten Völkern unter Saint Just oder Stalin zuvor gegeben hat?
Besonders pikant ist, daß Heni ausdrücklich "taz"-Kommentator Christian Semler in Schutz nimmt, dem von FAZ-Redakteur Lorenz Jäger treffend "Kaderwelsch" diagnostiziert worden war. Jäger hat nämlich nicht vergessen, daß Semler 1970 die maoistische KPD/AO, eine Variante des totalitären Kampfes gegen den "modernen Revisionismus" der Sowjets, "denen das wahre Stalin-Erbe, als dessen Hüter die Chinesen auftraten, peinlich zu werden begann", entlarvte. Heni giftet nun erkennbar hilflos:
"Mit diesem Wort generiert der FAZ-Kommentator Lorenz Jäger ein antisemitisches Wort. »Welsch« meint jüdisch, französisch, unlauter, betrügerisch, romanisch, un-deutsch. Die Gegenaufklärung nimmt weiter an Fahrt auf."
Daß die Schweizer, die ihren französischsprachigen Teil "Welschland" nennen, allesamt Nazis sind, ist dem aufgeklärten Besserwessi ja schon länger bekannt. Aber uns ist nun bekannt, daß Heni rein garnichts weiß - noch nicht einmal, daß das (von Lorenz Jäger weitergenutzte) Wort "Kauderwelsch" vor dem 16. Jahrhundert entstanden ist und alles Mögliche, vor allem aber babylonischen Sprachenwirrwarr bezeichnete - aber als Chiffre für einen heutigen Antisemitismus-Vorwurf nun wirklich nicht dienen kann. Ob die DGB-nahe Hans-Böckler-Stiftung ihr Promotionstipendium für Heni vielleicht noch einmal überdenken will?
Andererseits: Zumindest bei intellektueller Armut scheint Hartz IV nicht zu funktionieren - und der Vorwurf der Gegenaufklärung landet beim Absender.
Sonntag, 4. November 2007
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen