Geht es um mögliche rechtsextreme Straftaten, brennen in diesem Land alle journalistischen Sicherungen durch. Als Mitte November ein 17jähriegs Mädchen bei der Polizei behauptete, vier Neonazis hätten ihr ein Hakenkreuz in die Hüfte geritzt, war der Fall, noch bevor Ermittlungen überhaupt konkrete Ergebnisse zeigten hatten, alles ganz klar:
"Die jüngsten Übergriffe durch brutale Nazischläger in Mittweida sind mehr als schockierend. Nicht nur weil vier erwachsene Männer keine Skrupel hatten, ein gerade mal sechs Jahre altes Mädchen anzugreifen und auch vor der Verstümmelung einer zur Hilfe eilenden 17-Jährigen nicht zurückschreckten. Beängstigend ist vor allem die Tatsache, dass der Vorfall von Nachbarn und Anwohnern beobachtet wurde", wusste ein eher schlichtes regionales Internetportal zu urteilen.
Die "Sächsische Zeitung" tickerte:
"Mit Spontandemonstrationen reagierten gestern rund 240 Menschen auf den feigen Neonazi-Überfall auf ein Spätaussiedler-Mädchen (6) und eine Jugendliche (17). (...) Mit „Wer schweigt, stimmt zu!“-Schildern demonstrierten mittags rund 40 Mitglieder der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung vor den Balkonen der Anwohner des Tatorts. Am Abend hielten etwa 200 Demonstranten der linken Szene eine Kundgebung auf dem Markt ab."
Die "Leipziger Volkszeitung" schrieb im Indikativ:
"Für den Bürgermeister von Mittweida, Matthias Damm (CDU), ist der neuerliche rechtsextreme Vorfall in seiner Stadt ein Schock. "Es ist schlimm, dass das wieder passiert ist", kommentiert er den Angriff von Neonazis auf eine junge Frau. Auch Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) zeigt sich "entsetzt und traurig". Die Tat, die Ingo Stange von der Opferberatung AMAL als "in seiner Brutalität ungewöhnlich" bezeichnet, hatte sich bereits am 3. November ereignet, war aber erst gestern öffentlich gemacht geworden."
Und die "Reporterin" von Springers "Berliner Morgenpost" "weiß" es natürlich ganz genau:
"Ihren Namen kennt keiner, doch jeder in der sächsischen Kleinstadt Mittweida bewundert sie: Die 17-Jährige, die sich am frühen Abend des 3. November mutig gegen vier glatzköpfige Männer stellte. Die vier schubsten und drangsalierten ein sechsjähriges Mädchen vor einer Kaufhalle im Neubaugebiet. Das Kind stammt aus einer Spätaussiedler-Familie. Die 17-Jährige kam zufällig vorbei - und mischte sich ein. Doch die Männer griffen sie und ritzten ihr ein Hakenkreuz in die Haut, bevor sie fliehen konnte."
Gestern teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit, daß
a. Die Verletzung sehr wohl selbst zugefügt worden sein könne,
b. das angeblich zuvor drangsalierte sechsjährige Kind nicht existiert,
c. es noch immer keinen einzigen zeugen der Tat gibt und
d. gegen die 17jährige ein Verfahren wegen Vortäuschung einer Straftat eingeitet wurde.
Immerhin weiß "Spiegel online" zu berichten:
"So hatten sich angebliche Hakenkreuz-Ritzereien, die vermeintliche Opfer bei der Polizei anzeigten, schon in der Vergangenheit als Schwindel herausgestellt. Am 29. Dezember 2002 war die 14-jährige Tochter eines Kubaners auf einer Wache im brandenburgischen Guben erschienen, weil ihr angeblich Neonazis ein Hakenkreuz in die Wange geschnitten hätten. Zunächst glaubten ihr die Beamten, dann gestand das Mädchen, die Geschichte erfunden zu haben. 1994 hatte in Halle ein im Rollstuhl sitzendes Mädchen behauptet, dass Skinheads ihr ein Hakenkreuz in die Wange geritzt hätten. Tags darauf demonstrierten mehr als 10.000 Menschen gegen rechtsextreme Gewalt. Wenig später räumte das Mädchen auch hier ein, die Tat nur vorgetäuscht zu haben. Kurz darauf berichtete eine Berliner Antifa-Gruppe, Neonazis hätten in der S-Bahn einer 20-Jährigen ein Hakenkreuz in den Bauch geritzt. Die Ermittlungen der Polizei blieben ohne Ergebnis."
Wenn das nächste Mal pubertierende Halbwüchsige mit "Ritz-Geschichten" in der Öffentlichkeit aufschlagen, hilft vorab vielleicht ein Blick hierhin.
Mittwoch, 19. Dezember 2007
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