Dienstag, 16. Oktober 2007

Das "tendenziell Richtige" bei G. Grass

Erinnern wir uns noch an den letzten Sommer? Günter Grass, das bebende Gewissen einer ganzen Kohorte ebenso spätgeborener wie selbstgerechter Richter über ihre Eltern, das angebliche Gewissen der Nation, Literaturnobelpreisträger, "Nationaldichter", SPD-Wahlkampfhelfer und Geschichtsinterpretator, jenem Grass fiel nach gut sechzig Jahren ein und auf, daß er als Junge zum Kriegsende in der Waffen-SS gedient hat.
Und es ist schon bemerkenswert, wie dieses damals die halbe Nation erregende Faktum - und vor allen Dingen sein jahrelanges, als heuchlerisch empfundenes Verschweigen! -auf der meterbreiten Schleimspur, die die deutschen Eliten seit Tagen anlässlich des 80. Geburtstages Grass' durchs Land ziehen, einfach wegrutscht und verschwindet.
Der angewandte Trick ist so einfach wie genial: Der Virgang wird auf ein Geständnis oder Einräumen reduziert, die damit zusammenhängende Debatte um Grass' moralische Position angesichts seiner Scharfrichterlichen Urteile über seine Väter ausgeblendet - und schwupps, ist's vorbei. Klassisch etwa Eckard Fuhr, unter dem das Feuilleton der "Welt" in den letzten Jahren einen schönen Linksruck erleben durfte:

"Die Skandalisierung seiner späten Mitteilung, dass er am Ende des Krieges, wie viele seiner Jahrgangsgenossen, zu einer Einheit der Waffen-SS eingezogen worden sei, war der Versuch, Grass als immer noch (über-)mächtige literarische und politische Figur vom Sockel zu stürzen."

Jaaaaa, so ist's recht....
Hübsch auch Thomas Steinfelds Volte in der "Süddeutschen Zeitung":

"Und die Neigung, die Günter Grass zu großen Schlachtengemälden hegt - sei es in Gestalt panoramatischer Bücher wie dem Roman "Das weite Feld" (1995) oder dem Erzählband "Mein Jahrhundert" (1999), sei es in Gestalt großer Debatten wie zuletzt der um seine SS-Mitgliedschaft (die eine Debatte um seine Autobiographie und das Kunstwollen hätte werden sollen) - verdankt sich auch dem Bedürfnis, es möchte mit der großen Kunst endlich einmal gelingen."

Herrlich, das alles einfach so in den Nebensatz zu schieben.
Da loben wir uns doch noch die gute alte Giftspeierin und Mentalzensorin Sigrid Löffler, die, souffliert von einer öffentlich-rechtlichen Nebelkerzenwerferin, im Deutschlandfunk äußert:

Kaess: Frau Löffler, es ist nur ein Jahr her: Der Ärger darum, dass Grass zugegeben hat, bei der Waffen-SS gewesen zu sein. Hat man ihm sein spätes Bekenntnis verziehen?
Löffler:
Ich denke, dass war eine künstlich inszenierte Aufregung. Sie dürfen ja nicht vergessen, dass Grass nie verschwiegen hat, dass er ein fanatischer Flakhelfer gewesen ist. Er hat uns nur verschwiegen, dass er auch bei der Waffen-SS gewesen ist. Aber seine Mitteilungen über seine Vergangenheit waren immer konsistent. Tendenziell hat er uns immer das Richtige gesagt. Er hat uns nie in die Irre geführt. Und die Leute - da möchte ich Klaus Staeck zitieren -, "wer jetzt sagt, dass Günther Grass als moralische Instanz erledigt sei, für den war er im Zweifel sowieso nie eine".

So schreitet es voran, das Zwiebeln der Häute...

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