Der Münchner Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld hat Überlegungen für einen «Katholischen Arbeitskreis» in der Union als angemessen bewertet. Heute herrsche in der Union, anders als zu Gründungszeiten, eine große Meinungsvielfalt, sagte Weidenfeld in einem am Freitag veröffentlichten Interview der in der Osnabrücker Verlagsgruppe Bistumspresse erscheinenden katholischen Kirchenzeitungen. Deshalb halte er es «durchaus für vertretbar»,
wenn sich Menschen in der Union zusammenfänden, «die in besonderer Weise über das Katholische in der Politik nachdenken wollen».
Zugleich bemängelte Weidenfeld den Stil der Politik in Deutschland. Sie werde «mehr und mehr zur Augenblicksbewältigung herabgestuft». Um Orientierungen und Strategien, die die Gesellschaft zusammenhielten, kümmere sich dagegen niemand mehr. Nach seiner Einschätzung hat die Bindung der katholischen Kirche zu den Unionsparteien «drastisch nachgelassen». Das entspreche der wachsenden Pluralisierung, bei der sich die klassische Milieubildung
auflöse.
Noch Mitte Juni hatte sich die CDU-Vorsitzende Angela Merkel entschieden gegen einen «Katholischen Arbeitskreis» in der Union gewandt. Es sei richtig, dass es einen solchen Zusammenschluss in der CDU/CSU nicht gebe, so die Bundeskanzlerin. Dabei verwies sie ausdrücklich darauf, dass sich die Existenz eines Evangelischen Arbeitskreises der Union
(EAK) aus der Geschichte der Parteigründung heraus erkläre. Dazu meinte Weidenfeld, anders als zu Zeiten der EAK-Gründung 1952 sei die Partei heute nicht mehr stark katholisch dominiert; diese unterschiedlichen Gewichtungen zeigten sich nun nicht mehr.
Der renommierte Politikwissenschaftler bemängelte den Umgang von CDU/CSU mit der Sozialenzyklika von Papst Benedikt XVI. Weder die CDU noch die Union insgesamt, allerdings auch nicht die Kirche selbst versuchten, das Lehrschreiben «in eine politische Strategie
zu übersetzen». Diese Auseinandersetzung fehle völlig. «Da könnte ein katholischer Kreis einen Auftrag erfüllen.» Ein solcher Kreis werde aber nur Attraktivität haben, wenn er sich als Ort der geistigen Auseinandersetzung verstehe. Weidenfeld verwies auf ein neues Bedürfnis nach Deutungsangeboten der Politik, «da könnte das Katholische etwas Wertvolles leisten».
Ausdrücklich wandte sich der Wissenschaftler dagegen, der Union das «C» abzusprechen. Das sei nicht gerechtfertigt. Es gehöre zur heutigen Vielfalt, dass verschiedene Gruppierungen sich auf eine katholische oder christliche Grundorientierung beziehen könnten. Die Union, so Weidenfeld weiter, habe einen christlichen Gründungsmythos. Deshalb sei das «C» für ihr Selbstverständnis
wichtig. Keiner in der Parteiführung käme auf die Idee, sich vom «C» zu trennen.
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viel gelernt
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