"Government by denial", sozusagen. Oder auch: Es war doch nicht alles schlecht unter Schwarz-Rot...
Der angeblich noch vorhandene "wertkonservative Flügel" der Partei zuckt derzeit (noch?) müde. Er produziert einige bedenkenswerte Interventionen, die gleichwohl ohne Echo bleiben. Keine Verankerung oder Vernetzung in den Medien, keine profilierten Anführer, geschweige denn packende Thesen.
Immer öfter hört man, es solle eine spezifische konservative/christliche Plattform in der Union etabliert werden. Gute Idee - die zugleich zeigt, wo die Partei steht. Denn die Idee ist ja ähnlich, als wenn Gewerkschaftler sich gezwungen sähen, in der SPD eine eigene Gruppe zu gründen, um gehört zu werden...
Wie leer die Union ist, sieht man daran, dass sich dort niemand fand, der sich zu den bemerkenswerten Thesen Thilo Sarrazins über die multikulturelle Herrlichkeit Berlins äußern wollte. Oder auch nur einen qualifizierten Gedanken hat zu diesen mutigen (und verstörenden) Äußerungen wie diesen:
Die Berliner Subventionswirtschaft, die ein notwendiger Teil der Wirtschaft und Politik der Stadt bis 1989 war, hat es geschafft, für all das, was staatlichen Subventionen zugänglich war – wie die Freie Universität, Theater –, möglichst viele Mittel ranzuholen. Doch es ist ein Unterschied, ob man sich am Markt durchkämpft oder in einem geschützten Bereich angesiedelt ist, wo man komfortabel von staatlichen Mitteln lebt. Die leistungsorientierten Berliner gingen weg. Das war ein kontinuierlicher Prozeß; wer als Westberliner Schüler ein Ingenieursstudium machte und dann als Elektroingenieur arbeiten wollte, hat das zu achtzig Prozent woanders tun müssen. Es kamen die Achtundsechziger und alle, die Berlin eher als Lebensplattform suchten.
Das geht ja nun garnicht, ein Jahr nach der '68er-Heiligsprechung in den meinungsbeherrschenden Medien. Und niedlich, wei die Zeitschrift nun feige die spannenderen Passagen im Netz nicht veröffentlicht. Diese gingen etwa so, wie die "Berliner Morgenpost" referiert:
Wesentliches Problem der Stadt ist aus Sarrazins Sicht, "dass 40 Prozent aller Geburten in der Unterschicht stattfinden". Die zugezogenen Achtundsechziger und der "Westberliner Schlampfaktor" hätten Berlin grundlegend geschadet, ist die Hauptthese Sarrazins.
Doch nicht nur das, auch die Migranten sind seiner Meinung nach mitverantwortlich für das schlechte Bild der Stadt: Eine große Anzahl der Türken und Araber "hat keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel, und es wird sich vermutlich auch keine Perspektive entwickeln." Das gelte auch "für einen Teil der deutschen Unterschicht, die einmal in den subventionierten Betrieben Spulen gedreht oder Zigarettenmaschinen bedient hat". Für alle anderen Zuwanderer hat Sarrazin ebenfalls charakteristische Beschreibungen parat. "Die Vietnamesen: Die Eltern können kaum Deutsch, verkaufen Zigaretten oder haben einen Kiosk." Die zweite Generation sei aber integrationswillig wie die Osteuropäer. "Die Deutschrussen haben große Probleme in der ersten, teilweise auch der zweiten Generation, danach läuft es wie am Schnürchen, weil sie noch eine altdeutsche Arbeitsauffassung haben." Bei den Ostasiaten, Chinesen und Indern sei es dasselbe. "Bei den Kerngruppen der Jugoslawen sieht man dann schon eher ,türkische' Probleme." Was der Ex-Senator damit meint: "Ständig werden Bräute nachgeliefert: Das türkische Mädchen hier wird mit einem Anatolen verheiratet, der türkische Junge hier bekommt eine Braut aus einem anatolischen Dorf."
Bei den Arabern sei es "noch schlimmer", so Sarrazin. "Meine Vorstellung wäre: generell kein Zuzug mehr außer für Hochqualifizierte und perspektivisch keine Transferleistungen mehr für Einwanderer." Zudem würden die Türken versuchen, mit einer hohen Geburtenrate in Deutschland die Einheimischen zu übertreffen. Dazu Sarrazin - womöglich ironisch: "Das würde mir gefallen, wenn es osteuropäische Juden wären mit einem um 15 Prozent höheren IQ als dem der deutschen Bevölkerung."
Froh äußert sich Sarrazin aber über das Ende der alten "Berliner Subventionswirtschaft". Gutes könne nur von außen kommen. Jede Metropole lebe davon, dass sie Zuwachs aus der Provinz bekomme. So solle es auch mit Berlin werden. Er habe als Berliner Finanzsenator seinen Beitrag dazu geleistet, findet er. Durch Personalabbau. "Die Berliner Verwaltung ist keine gute Verwaltung, auch wenn sie etwas besser geworden ist, weil sie kontinuierlich kleiner wurde. Das war ein Beitrag zur Qualitätssteigerung." Allerdings würden Führungskräfte zu schlecht bezahlt. "Wenn ich Regierender Bürgermeister wäre, würde ich erst mal dafür sorgen, dass der Senat vernünftig bezahlt wird." Sarrazin gibt auch als Bildungsexperte Tipps: "Die Schulen müssen von unten nach oben anders gestaltet werden. Dazu gehört, den Nichtleistungsträgern zu vermitteln, dass sie ebenso gerne woanders nichts leisten sollten."
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