Dann nennt er Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer und Generalbundesanwalt Siegfried Buback, beide 1977 von Terroristen ermordet. So wie Reinders redet, zwingt sich der Eindruck auf, die Schuld der Täter werde relativiert.
Schleyer sei „die rechte Hand von Heydrich“ gewesen, sagt Reinders. Viele der jungen Linken auf dem Platz wissen vermutlich kaum, wer Reinhard Heydrich war. Der SS-Offizier gilt als einer der furchtbarsten Schergen des NS-Regimes, ein effizienter Organisator des Grauens, vor allem der Vernichtung der Juden. Reinders bezieht sich jedoch offenbar vor allem auf Heydrichs Rolle im besetzten Tschechien, dort war der hochrangige Nazi „Stellvertretender Reichsprotektor von Böhmen und Mähren“, bis er 1942 von Widerstandskämpfern getötet wurde. Schleyer war damals Leiter des Studentenwerks der Universität in Prag, erst 1943 avancierte er zum persönlichen Sekretär des Präsidenten des Zentralverbands der Industrie für Böhmen und Mähren. Die rechte Hand Heydrichs? Und selbst wenn: Wurde Schleyer zu Recht von der RAF entführt und erschossen?
Reinders wirft dann Buback vor, er sei der „Erfinder des toten Trakts“ im Gefängnis Köln-Ossendorf. Dort saßen RAF-Leute ein, im „toten Trakt“ wurden Häftlinge unter harten Bedingungen isoliert. Ein Grund, Buback zu ermorden?
Die Menge klatscht. Ob die Ansprache juristische Folgen hat, bleibt offen. Sicherheitskreise sagen gestern, es sei unklar, wie weit der Inhalt der Rede bekannt ist, um eine mögliche Strafbarkeit zu prüfen.
Als sich der Zug der Demonstranten in Bewegung setzt, ist eine weitere Ehemalige der Terroristen vorne dabei. Inge Viett hat sich in der dritten Reihe des schwarzen Blocks eingehakt. Viett, 63, war auch an der Entführung von Lorenz beteiligt, später ging sie zur RAF, tauchte in der DDR unter und wurde 1990 verhaftet. Nach sieben Jahren kam sie frei. Im Februar 2007 hat sie den Terror der RAF „Klassenkampf von unten“ genannt.
(aus: "Tagesspiegel", 3.5.2007)
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