Donnerstag, 15. Februar 2007

Kinder, Bindung, Verantwortung

Lesenswert zur aktuellen Begeisterung wohlstandsfixierter Deutscher auf die frühstkindliche ganztagsbetreuung zwecks Wohlstandsmehrung das aktuelle Interview mit dem kanadischen Entwicklungspsychologen Gordon Neufeld:

"Die Eltern von heute werden im Stich gelassen von einer Gesellschaft, die sich ganz auf das Geldverdienen konzentriert. Ein weiteres Problem ist, dass die Gesellschaft einen Kult um die Experten hervorgebracht hat. Je mehr Eltern sich auf solche Experten verlassen, umso weniger kompetent fühlen sie sich, ihre Würde und ihr gesunder Menschenverstand gehen verloren. Die Experten verdienen ihr Geld damit, dass sie Ratschläge erteilen. Niemand denkt aber daran, dass der Schlüssel zur Erziehung nicht darin liegt, was wir tun, sondern wer wir für unsere Kinder sind. Wir sehen nicht, dass es um Beziehung geht, sondern sind besessen davon, alles richtig zu machen.

WELT.de: In Deutschland ist der Ruf nach Fremdbetreuung von Kleinkindern unter drei Jahren laut geworden. Kann so ein richtiger Weg aussehen?

Neufeld: Das ist ein gefährlicher Weg. Kinder brauchen die intensive Bindungsbeziehung zu ihren Eltern. Die Entwicklung von Bindungen braucht Zeit. In den ersten Lebensjahren bindet sich das Kind, indem es mit den Eltern zusammen ist und ihnen gleicht. Danach erlebt das Kind Nähe, indem es dazugehört und Anerkennung erhält. Nur unter den geeigneten Bedingungen entwickelt sich emotionale und seelische Nähe. Kinder brauchen mindestens fünf Jahre, um so tiefe Bindungen zu entwickeln, dass diese als Grundlage für eine Erziehung dienen können und so stabil sind, dass die Bindung auch bei physischer Trennung erhalten bleibt. Wer diesen Prozess stört, schlachtet die Gans, die die goldenen Eier legt."

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