Sonntag, 15. Juli 2007

1,2,3, Debatte zu Brei

Mit nachlassendem Amusement haben wir in der vergangenen Woche beobachtet, wie eine gedankliche Übung des Innenministers von einer ebenso desinformierenden wie interessegeleiteten Journaille und ihren politischen Helfershelfern nahezu in einen Gesetzentwurf uminterpretiert wurde.
Es war der klassische Dreischritt:
1. Unliebsame Äußerung,
2. Verfälschende Zuspitzung/Verkürzung eben dieser,
3. Öffentliche Erregung in Bezug auf die verkürzt wiedergegebene und in den Mund gelegte Formulierung.

Und so lief's ab:

1. Schäuble hatte es gewagt, im "Spiegel" zu sagen:
(...)
SPIEGEL: Sie wollen eine Vorbeugehaft für Islamisten?

Schäuble: Nein. Wir müssen jedoch klären, ob unser Rechtsstaat ausreicht, um den neuen Bedrohungen zu begegnen. Den sogenannten Unterbindungsgewahrsam gibt es ja jetzt schon, zum Beispiel für Hooligans bei Fußballspielen, wenn auch in engen rechtlichen Grenzen. Und wir müssen darüber reden, ob das Maß an Prävention, das unseren Polizeigesetzen heute schon eigen ist, genügt. Man könnte zum Beispiel bestimmte Auflagen für jemand erlassen, den man nicht abschieben kann, etwa ein Kommunikationsverbot im Internet oder mit dem Handy. Die rechtlichen Probleme reichen bis hin zu Extremfällen wie dem sogenannten Targeted Killing ...

SPIEGEL: ... also der gezielten Tötung von Verdächtigen durch den Staat. Schon
Ihr Amtsvorgänger Otto Schily hat Islamisten damit gedroht: "Wer den Tod liebt,
kann ihn haben."

Schäuble: Nehmen wir an, jemand wüsste, in welcher Höhle Osama Bin Laden sitzt.
Dann könnte man eine ferngesteuerte Rakete abfeuern, um ihn zu töten.

SPIEGEL: Die Bundesregierung würde wahrscheinlich erst einen Staatsanwalt
losschicken, um Bin Laden festzunehmen ...

Schäuble: ... und die Amerikaner würden ihn mit einer Rakete exekutieren, und
die meisten Leute würden sagen: Gott sei Dank. Aber seien wir ehrlich: Die
Rechtsfragen dabei wären völlig ungeklärt, vor allem, wenn daran Deutsche
beteiligt wären. Wir sollten versuchen, solche Fragen möglichst präzise
verfassungsrechtlich zu klären, und Rechtsgrundlagen schaffen, die uns die
nötigen Freiheiten im Kampf gegen den Terrorismus bieten. Ich halte nichts
davon, sich auf einen übergesetzlichen Notstand zu berufen, nach dem Motto:
"Not kennt kein Gebot."

SPIEGEL: Sie dehnen den Rechtsstaat bis an die Grenzen, wenn Sie ihn zu einem
Präventionsstaat umbauen und dabei auch staatliche Tötungen in Kauf nehmen.

Schäuble: Ach, woher denn! Schauen Sie doch nur in die Polizeigesetze der
Länder: Dort gibt es längst den sogenannten finalen Rettungsschuss. Das
Grundgesetz würde doch zerbrechen, wenn wir es nicht anpassen würden, gerade
bei solchen zentralen Fragen. Wer die Freiheit bewahren will, muss dafür unter
veränderten gesellschaftlichen Bedingungen etwas tun. Wir leben nicht mehr in
der Welt des Jahres 1949. "

2. Aus diesen forschen gedanklichen Übungen - mehr war es wirklich nicht - und der Aussage, es gebe eben keine rechtliche Grundlage für targeted killing, verdrehte man flugs einen Wortbrei. Ganz vorneweg die sozialdemokratisch gefärbte Desinformations-Agentur "dpa", die wahrheitswidrig schrieb:
"Schäuble hatte in einem "Spiegel"-Interview einen neuen Straftatbestand der Verschwörung vorgeschlagen und zudem eine gezielte Tötung von Terroristen in Erwägung gezogen."
(interressant, dass Reuters diese Behauptung in einem ausführlichen Korrespondentenstück einen Tag zuvor nicht ansatzweise aufstellte). In der SZ durfte Ex-Staatsanwalt Prantl flugs ganz den schnarrenden Behinderten-Beschimpfer geben. Vrne mit dabei sogleich auch der linksliberale "Tagesspiegel", der frech titelte: "Schäuble will Rechtsgrundlage für gezielte Tötungen". Und die Voll-Trottel won "Welt online" schrieben gar:
"Folgende Maßnahmen sind geplant:
Todesschuss: In einem „Spiegel“-Gespräch brachte Schäuble in Extremfällen die gezielte Tötung von Terroristen ins Gespräch. Wenn man wüsste, in welcher Höhle al-Qaida-Führer Osama bin Laden säße, „könnte man eine ferngesteuerte Rakete abfeuern, um ihn zu töten“."

3. Nun durften empörungstechnisch alle mal ran.
Es begann mit der unvermeidlichen Sabine Leutheusser-Schnarrenberger - an die Adresse Schäubles gerichtet sagte sie, der Rechtsstaat "deformiert sich, wenn er Ihren Vorschlägen folgen würde". Er wolle "den politischen Mord legalisieren". Kurt Beck tapert hinterdrein und warnt, man dürfe "die Freiheit nicht zu Tode schützen". Und Brigitte Zypries füttert die falsche inhaltliche Ebene, auf die die Debatte längst gehievt worden ist, mit dem bösartigen Hinweis, in Deutschland sei die Todesstrafe längst abgeschafft.
Und dass am Ende Horst Köhler durch die Kulisse stolpert und uns versichert, er habe seine „Zweifel, ob man zum Beispiel Dinge wie die Tötung eines vermeintlichen Terroristen ohne Gerichtsurteil, ob man das von der leichten Hand machen kann“ - das passt dann eigentlich doch ganz gut ins Gesamtbild.

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