Angesichts des brutalen Mordanschlags auf den Passauer Polizeichefs Alois Mannichl entstehen, gerade wegen der überragenden politischen Bedeutung des Vorgangs, zunehmend neue Fragen.
Mannichl, der vor einer Woche an seiner Haustüre vermutlich von einem rechtstextremen Täter brutal niedergestochen und lebensgefährlich verletzt wurde, berichtete den Ermittlern, der Täter habe zu ihm gesagt:
„Schöne Grüße vom nationalen Widerstand. Du linke Bullensau, du trampelst nimmer auf den Gräbern unserer Kameraden herum.“
Diese Äußerung wird allgemein als Bezug gewertet zu einem Vorfall am 26. Juli in Passau. Damals beerdigten dutzende bundesweit bekannter Neonazis und Rechtsextremisten einen der ihren, Friedhelm Busse. Kurz bevor dessen Sarg in die Erde gelassen wurde, legte ein Teilnehmer eine Flagge auf dem Sarg ab, sie wurde mit in die Erde versenkt.
Hier wird es nun spannend.
Denn: Was für eine Flagge genau wurde auf dem Sarg platziert?
Bisher
bekannt gewordene Bilder der Beerdigung lassen vorerst eher den vorsichtigen Schluss zu, die sogenannte "Reichskriegsflagge" sei dem Grab beigegeben worden. Das mag man für geschmacklos halten - strafrechtlich verboten wäre es nicht. Weder die seit 1867 geführte Flagge an sich noch ihre Nutzung (siehe die Übersicht
hier) fallen unter einschlägige Verbote.
Von einem Verbot hingegen betroffen ist selbstverständlich und glücklicherweise die ab 1935 genutzte Version, auf der zusätzlich ein Hakenkreuz abgebildet ist und die heute von Neonazis immer wieder zur Verherrlichung der nationalsozialistischen Ideologie verwendet wird. Sie allerdings ist völlig anders gestaltet: komplett roter Grund, massive Balken, großes Hakenkreuz gekippt in der Mitte. Auf dem o.a. Bild ist eine solche Farbstellung sehr wohl zu erkennen und nachvollziehbar, ein Verstoß gegen §§86 und 86a StGB also zu vermuten.
So ist es nur nachvollziehbar, daß Mannichl zwei Tage nach der Beerdigung die Fahne "exhumieren" ließ, zur Beweissicherung für ein entsprechendes Strafverfahren gegen den Neonazi Wulff, der sie abgelegt hatte. Und der Passauer Staatsanwalt Helmut Walch
sagte am 30. Juli 2008 der "Süddeutschen Zeitung": "So wie es jetzt aussieht, kommt der Fall vor Gericht." Wulff müsse mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe rechnen. Es habe sich "um eine sogenannte Reichskriegsflagge aus den Jahren 1935 bis 1945 mit einem sehr großen Hakenkreuz in der Mitte" gehandelt, so Walch.
Die "FAS"
schreibt heute online, es sei "eine verbotene SS-Reichskriegsflagge mit Hakenkreuz auf den Sarg" gelegt worden. So etwas gibt es nicht - warum hat die FAS nicht bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft nachgefragt? Oder hat sie eine falsche Auskunft bekommen? Nun, da die Flagge ausgegraben ist, müsste es doch ein einfaches sein, sie sich anzuschauen - und so dem hetzerischen Vorwurf der Rechtsterroristen, die Polizei verunehre Gräber, und einer entsprechenden Legendenbildung umgehend entgegentreten können.
Also ist die naheliegendste Frage doch:
Wie steht es mit dem Strafverfahren gegen Thomas Wulff? Wann ist Anklageerhebung, wegen welchen Delikts?
Und nicht zu vergessen eine etwas entfernter liegende Frage, die gestern die FAZ stellte. Sie verweist auf die nahezu legendäre Unterwanderung der NPD-Szene durch den Verfassungsschutz - immerhin scheiterte daran schon einmal ein Verbotsverfahren. Und
stellt nun verwundert fest:
"Doch gerade in Bayern, wo vermutet werden durfte, der Freistaat rücke seinen Extremisten recht nahe auf die Pelle, scheint niemand zu wissen, wer der großgewachsene und auch sonst auffällige Neonazi ist, der den Polizeichef Mannichl fast ermordet hat. Nicht dass eine Sonderkommission den Täter nicht auf Anhieb fasst, verwundert, sondern dass der Mann nicht zu identifizieren sein soll, obwohl ihn ein Fachmann, ein Polizeidirektor, genau gesehen hat."Um dann zu schließen:
"Sollte der Täter kein Neonazi, sondern ein Provokateur vom anderen Rande sein, so müsste ihn doch die andere V-Mann-Abteilung kennen."