Hm, um den Konservatismus in Deutschland scheint es nicht soooo schlecht bestellt zu sein, schaut man sich die heuchlerische
Grabrede auf eben diesen, die Franz Walter in der "Welt" hält, genauer an.
Zähneknirschend stellt er fest:
"Alle relevanten Werteforscher sind sich einig, dass die große Zeit des libertären Individualismus, des schrankenlosen anything goes, der heillosen Flucht aus allen Bindungen für die nächsten zwei, drei Jahrzehnte vorbei ist, zumindest durch Korrektive und Gegenströmungen ergänzt wird. Und diese Korrektive laufen auch und gerade bei jungen Leuten, so unisono die sozialwissenschaftlichen Befunde, auf feste Regeln, Verwurzelungen, Verbindlichkeiten, Kontinuitäten, glaubwürdige Rituale und verlässliche Gemeinschaftszugehörigkeiten hinaus. Im neuen Kult um die Familie bündeln sich all diese Sehnsüchte und Mentalitäten der entbetteten postindustriellen Gesellschaften."
Um dann zu behaupten:
"Politisch sind den Konservativen alter Schule schon längst die Frontmänner abhanden gekommen. Mit Hans Filbinger starb unlängst der letzte aus der früher stattlichen Riege strammer Patrioten und strenger, nicht selten bigotter Tugendwächter, die von Alfred Dregger bis Karl Carstens reichte. Auch fehlen heute dem Konservatismus kluge und moderne Denker, wie es sie in Frankreich – bekannt sind Alain Finkielkraut und André Glucksman - nicht zuletzt unter den Konvertiten aus dem linken Lager in reichlicher Fülle gibt.
In Deutschland hat der Konservatismus in den letzten zwei Jahrzehnten hingegen lediglich den Typus des linkischen und verklemmten Verbindungsstudenten hervorgebracht, der als Kreisvorsitzender der Jungen Union weinerlich über 68er-Lehrer, Emanzen und Heiner Geißler lamentiert. Und so ist der Konservatismus als politische Strömung derzeit ohne Idee, ohne Nachwuchs, ohne Kopf."
Guter Trick: Erst drei Jahrzehnte lang jeden, der dem Zeitgeist aus der Reihe tanzt, öffentlich abstrafen, von Lehrstühlen fernhalten und medial ächten. Es ist erst wenige Wochen her, da gab es in der Bundespressekonferenz tatsächlich ernsthaft eine Debatte darüber, ob man den Korrespondenten der konservativen "Jungen Freiheit" überhaupt als Mitglied aufnehmen dürfe.
Dabei betreibt das
juste milieu seit Jahren eine systematische Marginalisierung - K. Adam, C. Meves, G. Rohrmoser, U. di Fabio, A. Gauland, A. Baring, A. von Stahl, K. Weißmann, N. Bolz, J. Ratzinger, G. Kempowski, R. Spaemann, A. Mohler, K. Steinbuch, N. Gomez-Davila, W. Fährmann, K. Struck, J. Isensee und Dutzende andere waren/sind auf ihre jeweilige Art ganz sicher jeweils hervorragende konservative Denker - aber nur einer konnte Papst werden und so der jahrzaehntelangen dauerhaften Ausgrenzung aus der mainstream-Wahrnehmung entgehen. ;-)
Aber dann so tun, als fehlten einem kritische Denker.... Merkel, die Vorsitzende der "konservativen CDU", hat es in der causa Oettinger doch gerade
gezeigt: Wer aufmuckt, wird abgestraft.
Also, Walters Trick, aus analytischer Panik geboren, geht so: Der "konservative Trend" wird als solcher entdeckt, aber aufgesogen von den linksliberalen Deutern von einst. Indem diese behaupten, es gäbe keine Konservativen, sichern sie sich final die Deutungshoheit über das "Konservative". So machten es G. Schröder und G. Grass i.S. Vertreibung, so eignet sich die linke Kulturschickeria die Museumsinsel in Berlin an, so domestiziert sie Geschichtswissenschaft und derzeit auch die Familiendebatte.
Insofern könnte
spannend werden, was sich da derzeit im Bereich
Zentrumspartei und "Pax Europa", einer neuen konservativen
Parteigründung, tut.